Redebeitrag

Es gilt das gesprochene Wort.

 

des Stadtverordneten Daniel Winter  in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 11. Juli 2024 zum Thema: “Waffenverbotszone”:


Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,

sehr geehrte Damen und Herren,


Ihr Antrag benennt ein ernstzunehmendes Problem.

Zu viele Menschen, vor allem junge Männer, tragen Messer mit sich herum. Und ja, selbstverständlich ist jedes sichergestellte Messer ein potentielles Tatwerkzeug weniger. Der Verweis auf die hieraus verhinderten Gewaltdelikte ist jedoch rein hypothetisch und lässt sich evidenzbasiert weder bestätigen noch verneinen.


Gesichert ist aber vor allem eins: Die überwältigende Anzahl der kontrollierten Personen hat keine Gegenstände mit sich geführt. Herausfinden kann man das aber erst nach erfolgten Durchsuchungen von Personen und mitgeführten Taschen. 


Dies stellt einen erheblichen Eingriff in die Freiheitsrechte der betroffenen Personen dar, zumal diese Maßnahmen in der Regel öffentlich erfolgen und, das ist ja auch bereits im Antrag erwähnt, verdachtsunabhängig erfolgen.

Also fernab der Gefahrenbegründung, die das HSOG im Allgemeinen als

Rechtsgrundlage benennt. Es ist also rein subjektiv und der Tagesform der kontrollierenden Person überlassen, ob ein/e BürgerIn kontrolliert wird.


Jetzt benennen wir mal Ihre Utopie und stellen uns vor, dass das historische Fünfeck zur WVZ wird. Und während wir hier im Haus debattieren, wird draußen die Kontrollstraße aufgebaut. Nach der Sitzung werden wir dann alle an die Wand gestellt, mit gespreizten Beinen, an Armen, Oberkörper, Gürtelschnalle und Beinen abgetastet, zudem in alle unsere Taschen geschaut.

Ich persönlich begehe keine Straftaten, ich trage keine Waffen, aber ich habe

verdammt nochmal was zu verbergen und das ist mein gutes Recht.

Und ich will mir nicht grundlos in die Taschen gucken lassen, weil der Inhalt

niemanden etwas angeht. Jetzt wissen wir Alle, warum kaum jemanden aus diesem Haus diese Szenerie wirklich droht, andere Personen sind davon aber jede Woche betroffen.


Bei einer Fehlerquote von 98 Prozent betrachten wir diese Maßnahmen daher als absolut unverhältnismäßig. Eine Waffenverbotszone haben wir vor allem deshalb immer abgelehnt und werden dies auch weiterhin tun. Dies bedingt erst recht, dass wir die Prüfung einer Ausweitung ebenfalls ablehnen.

Selbstverständlich erkennen wir die nun vorliegende Ausarbeitung zur

Waffenverbotszone von Fr. Prof. Bannenberg an. Die Arbeit ist wissenschaftlich

fundiert und übermittelt den Sicherheitsbehörden sowie der Stadtpolitik wertvolle Erkenntnisse zur Bewertung. Die Tatsache, dass weniger Gegenstände sichergestellt wurden, ist begrüßenswert. Aus den vorliegenden Ergebnissen lässt sich auch kein Rückschluss auf eine Ausweitung der Verbotszonen begründen. Hiervon ist in der Ausarbeitung auch an keiner Stelle die Rede.


Zugleich weise ich darauf hin, dass die Ausarbeitung explizit nicht auf das Sicher- oder Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung eingeht. Dies war bei der Begründung zur Einrichtung damals der treibende Gedanke. Es besteht zumindest zu befürchten, dass die WVZ das Unsicherheitsgefühl in der

Bevölkerung nochmals erhöht hat, da objektiv sichere Orte nun als unsicher

deklariert werden.


Objektiv sicher bedeutet übrigens nicht, dass es keine Fälle von Straßenkriminalität gibt. Diese gibt es vor allem in Großstädten immer und stellen Politik, Verwaltung und Sicherheitsbehörden immer vor Herausforderungen. Aber bei vielen Gewaltdelikten, auch im öffentlichen Raum, gibt es Täter-Opfer- Beziehungen,  die auf den ersten Blick oder in der Medienberichterstattung nicht ersichtlich sind. Hiermit soll nicht diese Form der Gewalt relativiert werden, aber die Darstellung, dass man jederzeit einfach so und in einer gezeichneten Häufigkeit Opfer von Gewaltdelikten werden kann, ist nicht zutreffend. Genau jenes Bild zeichnet die Waffenverbotszone jedoch. 


Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage, was eine Ausweitung, z.B. auf das historische Fünfeck bedeutet (da wollen Sie ja offensichtlich hin).

Diese Kernstadt ist das kulturelle und historische Herz unserer Stadt. Beliebt bei unseren BürgerInnen sowie TouristInnen. Ich kann Sie nur warnen, ausgerechnet diese Orte zu den Abendstunden zu verrufenen Orten zu erklären, bei denen alle Menschen einfach so durchsucht werden können.

Ich erachte solche Gedanken als schädlich für den Handel und die Gastronomie in unserer Stadt. Unsere historisches Fünfeck ist ein attraktiver Ort und damit das Gegenteil einer No-Go-Area.


Es ist wichtig, mit jungen Menschen zu arbeiten und ja, auch das Aufzeigen von Grenzen durch Sicherheitsbehörden gehört hierzu. Das schließt im Einzelfall auch Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen ein. Aber eben aufgrund einer konkreten Gefahrenbewertung nach dem HSOG oder eines Tatverdachts nach der StPO. Und nicht einfach so.


Junge Menschen, vor allem Männer, müssen eine Awareness dafür entwickeln, dass es falsch ist, Messer mit sich zu führen. Es muss ein Bewusstsein entstehen, dass Konflikte nicht mit Gewalt gelöst werden, dass das Gewaltmonopol beim Staat liegt und dass Waffen unsere Gesellschaft nicht sicherer machen. Hierfür müssen wir verstärkt in präventive Maßnahmen weiterhin und verstärkt investieren. Hier sind Schulen, soziale Einrichtung sowie Politik, Polizei und Verwaltung gefragt.


Deswegen werden wir als Linke und die Kooperation auch in Zukunft um jedes

Jugendzentrum kämpfen, um jede Stelle in der sozialen Arbeit. Damit wir junge Menschen auch zukünftig erreichen. Hier liegt der Schlüssel zu einer sicheren Gesellschaft.


Wir stehen für Ursachenbekämpfung, statt Symptompolitik. Aus diesem Grund begrüßen wir grundsätzlich Ihren Beschlusspunkt 1, die Beschlusspunkte 2 und 3  lehnen wir selbstverständlich ab. Wir erkennen den Evaluationsbericht an, lehnen aber den letzten Halbsatz klar ab, aus unserer Sicht ist nicht belegt, dass sich die Waffenverbotszone bewährt hat. Warum wir Punkt 4 nicht zustimmen werden:

1. Sicherheits / Unsicherheitsgefühl findet keine Berücksichtigung, obwohl dies in der Begründung der Einrichtung der wesentliche Faktor gewesen ist.

2. Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen wird nicht behandelt, also die Anzahl der Kontrollen und Freiheitseingriffe im Verhältnis zu den sichergestellten Gegenständen.

3. Die negativen Auswirkungen des Kräftebedarfs innerhalb der WVZ im Verhältnis zu Maßnahmen an anderen Örtlichkeiten. Hierzu sagt die Evaluation sehr wohl etwas. Nämlich, dass die Zone nur bei hohem Kontrolldruck effektiv sein kann. Das bedeutet eine starke Bindung von Kräften innerhalb dieser Zone. Ob dies übrigens wirklich das Sicherheitsgefühl vor Ort erhöht, kann im Hinblick auf die Studie aus Kassel ebenfalls angezweifelt werden. Aber: Viele Ortsbeiräte beschweren sich seit Langem, dass in ihren Ortsbezirken

kein Stadtpolizist mehr zu sehen ist, die Parkraumüberwachung fällt komplett hinten runter.

4. Täter / Opfer Bezug in den Gewaltdelikten. Weil es eben zur Bewertung der

objektiven Sicherheit Aller ein entscheidender Unterschied ist, ob Menschen wahllos Opfer von Gewaltdelikten werden, oder ob es hier eben eine „Vorgeschichte“ gibt. All diese Fragen sind bis heute unbeantwortet, aber immanent, um den Bestand und die Zukunft einer Waffenverbotszone zu bewerten.

 

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