Es gilt das gesprochene Wort.
des Stadtverordneten Hartmut Bohrer in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am
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Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrte Kolleg*innen,
Nach der Beschlussfassung über eine "Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) Ostfeld/Kalkofen" erhalten wir als Stadtverordnete und mit uns die Bürgerschaft alljährlich einen Bericht zum Sachstand der Umsetzung der "SEM". Teil dieses Berichts ist eine "Kosten- und Finanzierungsübersicht"("KoFi"), in der die für die Stadt zu erwartenden Kosten geschätzt werden und die geplante Finanzierung der SEM dargestellt wird.
Die entsprechende Sitzungsvorlage befindet sich heute auf unserer Tagesordnung. Sie ist für uns Anlass, die zahlreichen, gewichtigen Gründe erneut anzusprechen, die gegen die Umsetzung der vor vier Jahren beschlossenen "SEM" sprechen: die Versiegelung wertvoller Böden in einem Landschaftsschutzgebiet, die Bebauung eines wichtigen Kaltluftentstehungsgebiets und eines besonders für die Menschen in den Stadtteilen am Rhein wichtigen Gebiets für die Zufuhr von Frischluft und Kaltluft in heißen Sommernächten. Auch die Schädigung der einheimischen Landwirtschaft, die Problematik mit dem Artenschutz, z. B. durch die Zerstörung von über 20 Brutgebieten der vom Aussterben bedrohten Feldlerche. Auch die grundsätzliche Frage, was aufgrund des nahen Militärflugplatzes überhaupt bebaut werden kann, werden wir heute nicht weiter ansprechen. Auch ist über vier Jahre nach Beschlussfassung nicht eine Lösung für die vorgegebene Schienenanbindung gefunden.
Heute wollen wir uns angesichts der zunehmend schwierigeren Lage der städtischen Finanzen auf die absehbaren finanziellen Auswirkungen der SEM konzentrieren. Da sehen wir akuten Handlungsbedarf, der keinen Aufschub duldet.
Innerhalb von vier Jahren ist das in der "KoFi" vorhergesagte Defizit durch die SEM für die Stadt von 72 auf über 206 Millionen € angestiegen, innerhalb von vier Jahren also nahezu auf das Dreifache.
Dazu ist festzustellen, dass das zu erwartende Defizit in der "KoFi" kleingerechnet wird. Bei der sozialen Infrastruktur werden für die notwendigen 60 KiTa-Gruppen, für zwei Grundschulen, für weitere Schulplätze in einem Gymnasium und in einer IGS und für andere Einrichtungen wie ein Bürgerhaus, Seniorentreffs usw. nur 325 Millionen veranschlagt. Bei den mit KITas und Schulen Zuversorgenden werden nur die Jahrgänge zwischen 0 und 15 berücksichtigt. Die Jahrgänge 16-20, die eine gymnasiale Oberstufe oder die Berufsschule besuchen, werden herausgerechnet. Als Begründung dazu wurde von seiten der SEG vorgetragen, für diese und auch für Schüler*innen von Haupt-/Real- und Förderschulen gäbe es ja genügend Platz in den im übrigen Stadtgebiet vorhandenen Schulen. Dass aber für diese Schüler*innen dann Ausbaubedarfe an diesen Schulen entstehen, wird damit ausgeblendet. Unter Berücksichtigung dieser herausgerechneten Kosten würde das zu erwartende Defizit aber noch um einen weiteren höheren dreistelligen Millionenbetrag steigen.
Auch die völlig unrealistische Annahme einer künftigen Preissteigerungsrate von 2 1/4 % pro Jahr bei den Baupreisen wird entgegen aller Erfahrung weitergeführt
Nach vier Jahren intensiver Suche nach der vorgeschriebenen Schienenanbindung der geplanten Trabantenstadt "Ostfeld" am Fort Biehler ist klar: Es gibt keine förderfähige Lösung. Zu den zu erwartenden Kosten für die Stadt werden bislang keine Aussagen gemacht. Eine Schienenanbindung, die zwei Autobahnen zu queren hätte, dürfte kostenmäßig ebenfalls in dreistelliger Millionenhöhe liegen.
Mit dem zu erwartenden Defizit von mehreren hundert Millionen € wäre aber noch keine einzige Wohnung, erst recht keine "Sozialwohnung" gebaut. Es wäre für eine Bebauung die notwendige Infrastruktur geschaffen und bebaubarer Boden würde für 1265 € pro Quadratmeter bereitgestellt.
Wir sagen: Nehmen Sie diese hunderte Millionen € für die Verlängerung von Sozialbindungen! Der drastische Rückgang von preisgünstigem, geförderten Wohnraum hat seine Ursache nämlich nicht in einer eingetretenen Unbewohnbarkeit dieser Wohnungen, sondern dass die zeitlich begrenzten Bindungen ausgelaufen sind bzw. auslaufen.
Und statten Sie die stadteigene GWW mit Eigenkapital aus, damit sie damit preisgünstigen Wohnraum innerhalb der vorhandenen Siedlungen schaffen kann!
Stoppen Sie endlich dieses Millionengrab SEM Ostfeld/Kalkofen!